Am 17. Oktober war der Internationale Tag gegen Armut – der Tag, an dem armutsbetroffene Menschen in den Fokus rücken. Armut ist auch in Österreich ein großes Problem: 17,7 Prozent der österreichischen Bevölkerung und 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Österreich sind armutsbetroffen oder armutsgefährdet.
Auch wenn Armut oft unsichtbar ist – ihre negativen Auswirkungen auf die Gesundheit sind es nicht. Soziale Isolation, psychische Belastungen und armutsbedingte Stressfaktoren können zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen: Armuts- und ausgrenzungsgefährdete Menschen haben ein 2,5-mal höheres Risiko für einen schlechten Gesundheitszustand.
Zusätzlich gibt es für armutsbetroffene Menschen Barrieren in der Gesundheitsversorgung. Dazu gehören zum Beispiel Schwierigkeiten bei der räumlichen Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen insbesondere in ländlichen Regionen, kostenintensive Selbstbehalte und unverständliche Diagnosen oder Befunde.
Eine weitere Barriere sind Beschämung und Ängste: Armutsbetroffene Menschen machen im Alltag häufig Beschämungserfahrungen - auch in Einrichtungen der Primärversorgung. Diese Beschämungserfahrungen erzeugen Stress und wirken sich negativ auf die Gesundheit aus. Sie können außerdem dazu führen, dass armutsbetroffene Menschen aus Angst vor weiteren Beschämungserfahrungen notwendige Arztbesuche vermeiden.
Die Rolle der Primärversorgung
Was können Primärversorger:innen tun, um diesen Herausforderungen angemessen zu begegnen? Die Ursache von Armut können sie nicht beseitigen. Doch als niederschwellige und erste Anlaufstelle im öffentlichen Gesundheitssystem bietet die Primärversorgung die Chance, Armut wertschätzend anzusprechen und armutsbetroffene Patient:innen zu unterstützen.
Wie man wertschätzend mit Patient:innen umgehen kann, erklärt etwa die Armutskonferenz in ihrem Leitfaden „Auf Augenhöhe. Wertschätzender Umgang im beruflichen Alltag der Gesundheits- und Sozialberufe“. Wesentlich ist zum Beispiel, sich Wissen über Armut, Beschämung und Gesundheit anzueignen, armutsbetroffenen Patient:innen zuzuhören und offene Fragen zu stellen („Was wünschen Sie sich von mir, wie kann ich Sie unterstützen?“). Tipps für einen wertschätzenden Umgang mit armutsbetroffenen Patient:innen haben Martin Schenk und Hanna Lichtenberger im Webinar „Armut in der Primärversorgung – erkennen, begegnen, ansprechen“ der Plattform Primärversorgung gegeben. Mitglieder der Plattform Primärversorgung können das Webinar in der Mediathek nachsehen.
Hanna Lichtenberger (Volkshilfe) gab im Webinar der Plattform Primärversorgung Tipps, wie Gesundheitsfachkräfte armutssensibel handeln können: Einrichtungen können sich beispielsweise fragen, ob es bei ihnen Kosten und strukturelle Hürden für armutsbetroffene Familien gibt, ob offen über Kinder- und Familienarmut gesprochen wird und welche Anlaufstellen zur Weitervermittlung bekannt sind.
Für die Kommunikation mit armutsbetroffenen Patient:innen empfiehlt Hanna Lichtenberger: Über mögliche Kosten früh kommunizieren (beispielsweise über anstehende Impfungen im Eltern-Kind-Pass), Kosten bei Verschreibungen im Blick haben und besonders auf kostenneutrale Angebote verweisen. Auch wer Barrierefreiheit umfassend denkt (beispielsweise hinsichtlich einfacher Sprache), erwünschtes Verhalten kommuniziert oder beim Ankommen Hinweise auf WC, Wickeltisch oder Wasser gibt, handelt armutssensibel. Wichtig: Gesundheitsfachkräfte dürfen Armut ansprechen!
Die Plattform Primärversorgung unterstützt
Im Mitgliederbereich der Website der Plattform Primärversorgung finden Sie weitere umfangreiche Informationen, Unterstützungs- und Beratungsangebote bei Armut:
- Vermittlungs- und Beratungsangebote für armutsgefährdete und armutsbetroffene Menschen
- Informationsvideos
- Unterlagen
- Webinare
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